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Durch die Ab­grün­de der mensch­li­chen See­le — Im In­ter­view beim MDL Magazin

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Was wir von der Au­torin Ve­re­na Kolb ler­nen können

In je­dem Men­schen schlum­mern Ge­schich­ten: all­täg­li­che, spe­zi­el­le, ge­heim­nis­vol­le. Je­de ist auf ih­re Art und Wei­se wert­voll, und war­tet nur dar­auf durch die Ober­flä­che zu bre­chen, in­dem sie mit Wor­ten er­zählt in der Fan­ta­sie an­de­rer Men­schen zum Le­ben er­wacht. Doch wie geht das? Wie funk­tio­niert das mit der ima­gi­nä­ren Welt im Kopf des Le­sers? Ve­re­na Kolb, 23 Jah­re jung, Au­torin von drei Ro­ma­nen und Psy­cho­lo­gie­stu­den­tin, be­tont, dass es vor al­lem auf ei­nes an­kommt: Anfangen.

Schrei­ben be­ginnt mit dem ers­ten Satz

Ih­re ers­te Ge­schich­te hat sie mit sechs Jah­ren ge­schrie­ben. Die han­del­te von ih­ren Lieb­lings­tie­ren. Ta­ge­lang ar­bei­te­te sie an ih­rer Fan­ta­sy-Ge­schich­te über Di­no­sau­ri­er. Ei­ne Ta­ges­zei­tung druck­te sie ab. „Es war kei­ne per­fek­te Sto­ry, aber ich hat­te Spaß dar­an“, sagt Ve­re­na Kolb.

Mit 17 Jah­ren be­gann sie er­neut – oh­ne Re­geln, oh­ne Ab­sät­ze, ein­fach, um sich aus­zu­pro­bie­ren. Ih­re Kor­rek­tur­le­se­rin hat­te beim Lek­to­rie­ren ei­ni­ges zu tun. Die Roh­fas­sung war ein durch­gän­gi­ger Block aus rei­nem Fließ­text. Op­tisch war er nicht leicht zu le­sen, aber der Plot war pa­ckend: „Ve­re­na, der ist rich­tig gut ge­wor­den!“, sag­te die Korrekturleserin.

Der ers­te Agenturvertrag

Aus dem an­fäng­li­chen Aus­pro­bie­ren war ei­ne fes­seln­de Ge­schich­te in Roh­fas­sung ge­wor­den. Aus der Roh­fas­sung wur­de ein Ma­nu­skript. Wei­te­re ent­zück­te Pro­be­le­ser be­stä­tig­ten Ve­re­na Kolb dar­in, dass ih­re Ge­schich­te her­aus­ra­gend gut war. Das sah auch ein Ver­lag so, der sie un­ter Ver­trag nahm.

Mit 20 hat­te Ve­re­na Kolb ihr ers­tes Buch her­aus ge­bracht. Der Thril­ler „Ge­fan­gen im Netz der Spin­ne“ han­delt von ei­ner jun­gen Über­le­ben­den in ei­ner dys­to­pi­schen Zu­kunft, die auf der Flucht vor ei­nem skru­pel­lo­sem Ent­füh­rer ist, um ih­re klei­ne Schwes­ter zu ret­ten. Ihr Höl­len­trip führt durch die Ab­grün­de der mensch­li­chen Existenz.

Die Tie­fen der mensch­li­chen Psyche

Psy­cho­lo­gie ist für die Au­torin der Schlüs­sel, um die Tie­fen der mensch­li­chen Psy­che zu er­grün­den. „Ich möch­te die Ab­grün­de zei­gen, die Trans­for­ma­tio­nen, die Men­schen durch­ma­chen, wenn sie in Ex­trem­si­tua­tio­nen ge­ra­ten“, sagt sie.

Ih­re Prot­ago­nis­ten sind oft nor­ma­le Men­schen, die durch au­ßer­ge­wöhn­li­che Um­stän­de an ih­re Gren­zen – und dar­über hin­aus – ge­trie­ben wer­den. In ih­ren Bü­chern lo­tet sie aus, was pas­siert, wenn Ent­schei­dun­gen von in­ne­ren Kon­flik­ten und Ängs­ten ge­prägt sind. Ih­re Su­che nach der Wahr­heit be­wegt sich in ei­nem Ge­flecht aus mo­ra­li­schen Grauzonen.

„Das Bö­se exis­tiert für mich nicht – ge­nau­so we­nig wie das Gu­te. Es ist im­mer ei­ne Fra­ge der Per­spek­ti­ve“, sagt sie. In ih­ren Bü­chern – so wie im rea­len Le­ben – recht­fer­tigt je­der Mensch sei­ne Hand­lun­gen, so düs­ter sie auch sein mögen.

Nie­mand ist, wie er zu sein scheint

Ih­re In­spi­ra­ti­on zieht sie aus rea­len Er­leb­nis­sen. In ih­ren Prak­ti­ka als Psy­cho­lo­gie­stu­den­tin hat sie mit trau­ma­ti­sier­ten Pa­ti­en­ten, De­pres­sio­nen, Kin­des­wohl­ge­fähr­dung und Ver­lust­si­tua­tio­nen zu tun ge­habt. Die­se Er­fah­run­gen spie­geln sich in ih­ren Bü­chern wie­der, nicht als di­rek­te Ko­pien, son­dern in künst­le­risch auf­ge­ar­bei­te­ter Form.

Ihr neu­es­tes Buch „Extinc­tia“ spielt in ei­ner post­apo­ka­lyp­ti­schen Welt, in der ei­ne jun­ge Frau ei­nen bru­ta­len Wett­kampf des Über­le­bens ge­gen an­de­re Ge­fan­ge­ne in ei­nem bru­ta­len Spiel ge­win­nen muss. Schnell merkt sie, dass nie­mand der ist, der er zu sein scheint. Nicht ein­mal sie selbst.

Wie Cha­rak­te­re zum Le­ben erwachen

Copyright: Malte Wischnat
© Mal­te Wischnat

„Ein Cha­rak­ter ist dann le­ben­dig, wenn er sich selbst er­zählt,“ er­klärt sie. Sie plant nicht je­de Nu­an­ce ih­rer Fi­gu­ren, son­dern lässt sie im Ver­lauf der Ge­schich­te wach­sen. „Oft wi­der­spre­chen sie mir so­gar. Sie tun, was zu ih­nen passt, nicht das, was ich ge­plant habe.“

Für an­ge­hen­de Au­toren be­deu­tet das: Es ist okay, wenn Dei­ne Fi­gu­ren Dich über­ra­schen. Sie sol­len nicht per­fekt sein, son­dern mensch­lich – mit Feh­lern, Schwä­chen und Mo­men­ten, die ih­re mensch­li­che Na­tur zeigen.

„Schrei­ben heißt, sich auf das Cha­os ein­zu­las­sen, das sich spä­ter ord­nen lässt. Sei ge­dul­dig. Der Weg zur Ver­öf­fent­li­chung ist lang, aber je­der Schritt bringt dich nä­her an dein Ziel.“ „Extinc­tia“ wird der­zeit von Chris­to­pher Walt­her als mit­rei­ßen­des Hör­buch vertont.

Au­tor: Frank Lem­ke, MDL Ma­ga­zin
Text­quel­le: https://mdl-magazin.de/business/verena-kolb/